Agile Methoden vs V-Modell – diese Entscheidung ist in der Softwareentwicklung so grundlegend wie die Frage für einen Rennfahrer, ob er das schnellste oder das wendigste Auto wählt. Es geht darum, die richtige Balance zwischen Effizienz und Flexibilität zu finden – eine Herausforderung, der sich jedes Entwicklungsteam stellen muss. Kein Wunder also, dass zwei der beliebtesten Softwareentwicklungsmodelle jeweils eines dieser Elemente in den Vordergrund stellen. Das wirft die Frage auf: Sollten Sie auf das V-Modell setzen, auf agile Methoden oder doch bei den traditionellen Varianten des Wasserfallmodells bleiben?
Eine universell richtige Antwort gibt es nicht – daher beginnt die Entscheidungsfindung damit, jedes Modell zu verstehen und seine Vor- und Nachteile in Bezug auf Ihre individuellen Anforderungen abzuwägen.
Dies wirft die Frage auf: Sollten Sie in die das V-Modell für Softwareentwicklung oder in die agilen Methoden investieren oder doch bei den traditionellen Versionen des alten Wasserfallmodells bleiben?
Es gibt keine einzige, universell richtige Antwort, daher beginnt die Beantwortung der Frage damit, jedes Modell zu verstehen und herauszufinden, wie sich dessen Vor- und Nachteile auf ihre Anforderungen auswirken.
Was ist das V-Modell der Softwareentwicklung?
Das V im V-Modell steht für zwei Dinge gleichzeitig: Verifizierung und Validierung. Das V-Modell ist abgeleitet vom traditionellen Wasserfall-Modell der Softwareentwicklung assoziiert jede Testphase mit einer dazugehörigen Entwicklungsphase (und umgekehrt).
Anders gesagt, jedes Mal, wenn eine Testphase abgeschlossen wird, initiiert dies den Start einer Entwicklungsphase. Jedes Mal, wenn eine Entwicklungsphase abgeschlossen ist, initiiert dies den Start einer Testphase. Diese Phasen werden nacheinander fortgesetzt, sodass die Entwicklung nicht unterbrochen werden muss, um auf Testergebnisse zu warten.
Das Ergebnis ist ein Entwicklungsmodell, dass sehr effizient darin ist, Software zu liefern, die eine spezifischen Menge an Anforderungen erfüllt.
V-Modell Herkunft und Geschichte
Es gibt tatsächlich drei Variationen des V-Modell-Softwareentwicklungsprozesses, die von der deutschen Regierung, der US-Regierung und von Software-Testern entworfen wurden. Es scheint, dass diese drei Versionen unabhängig voneinander in den 1960er Jahren entstanden sind.
Das Ziel des Modells war die Verbesserung des Wasserfall-Modells, welches ein sehr linearen Ansatz zur Entwicklung darstellt, in dem jede Phase auf die vorhergehende folgt. Die Notwendigkeit, jeden Schritt erst durchzuführen, wenn der vorherige abgeschlossen war, führte jedoch zu kostspieligen Verzögerungen, Entwicklern, die auf verfügbare Arbeit warten mussten und generellen Ineffizienzen.
Im Gegensatz dazu ermöglicht das V-Modell die gleichzeitige Ausführung von Verifikation und Validierung, was zu schnelleren Entwicklungsprozessen führt.
Beispiele der V-Modell-Softwareentwicklung
Sagen wir, Ihr Team arbeitet an einer Software, die eine Fabrik zur Produktion einer bestimmten Art von Keksen verwaltet. Dieser Keks ist ein Klassiker und die Produktionsweise hat sich seit Jahrzehnten nicht verändert. Daher sind die Anforderungen für die Software (welche Maschinen sie verwalten und koordinieren muss, welche Prozesse überwacht werden müssen) relativ statisch.
Hier sind die Vorteile des V-Modells erheblich, da es Ihrem Team ermöglicht, die Software schnell und effizient zu erstellen.
Nehmen wir andererseits an, dass Ihr Team mit der Entwicklung einer Logistik-Software für ein globales Fertigungsunternehmen beauftragt wurde. In diesem Fall führt die Komplexität aller Faktoren, die die Software berücksichtigen muss (vom Wetter bis hin zu Wartungsplänen), dazu, dass sich ändernde und weiterentwickelnde Anforderungen während dem Entwicklungsprozess sehr viel wahrscheinlicher sind.
In diesem Beispiel könnte das V-Modell Probleme bereiten, weil die Stakeholder die Software erst testen und sehen können, ob sie den Anforderungen entspricht, wenn sie fertig ist. In diesem Moment realisieren sie eventuell, dass weitere Funktionalität notwendig ist oder eine vorhandene Funktionalität nicht so wichtig war, wie es zunächst schien.
Der Unterschied zwischen agilen Methoden und V-Modell
Der Hauptunterschied zwischen den beiden Modellen ist die Flexibilität. Agile Softwareentwicklung basiert darauf, Rückmeldungen von Stakeholdern wie Kunden während des Entwicklungsprozesses zu sammeln. Dieses Feedback wird dann berücksichtigt und weitere Rückmeldungen werden gesammelt.
Dieser iterative Prozess macht Agile sehr flexibel. Wenn ein Problem auftaucht oder sich Kundenanforderungen ändern, passt sich dieses Modell hervorragend an die Änderungen an.
Im Gegensatz dazu ist das V-Model darauf ausgelegt, den Prozess der Entwicklung von spezifischer Software zu optimieren, ohne dass Änderungen in der Spezifikation mittendrin berücksichtigt werden. Um auf das Rennwagen-Beispiel vom Anfang zurückzukommen - Agile ist exzellent für schwierige Kurven und Landschaften während das V-Modell auf Geschwindigkeit ausgelegt ist.
Wenn Sie von Anfang an genau wissen, was sie entwickeln wollen und zuversichtlich sind, dass sich diese Anforderungen nicht ändern, eignet sich das V-Modell. Wenn die Anforderungen sich jedoch wahrscheinlich ändern werden, sollten Sie überlegen, agile Methoden zu verwenden. Bereiten Sie sich im Wesentlichen auf ein Beschleunigungsrennen oder eine Strecke mit vielen Kurven vor?
V-Modell Validierungsphase
Um das V-Modell auf tieferer Ebene zu erfassen, muss man seine beiden Hauptphasen verstehen: Validierung und Testen. In der Validierung geht es grundlegend darum, zu bestätigen, ob das Gebaute den Bedürfnissen der Stakeholder entspricht oder nicht. Dabei wird normalerweise direkt mit den Stakeholdern zusammengearbeitet, um zu bestätigen, dass das Produkt für ihre Anforderungen geeignet ist.
Dies unterscheidet sich von der Verifikation, in der Sie möglicherweise bestätigen, ob das von Ihnen erstellte Produkt einer bestimmten Bedingung, Anforderung oder Vorschrift entspricht.
V-Modell Testphasen
Es gibt verschiedene Arten von Tests im V-Modell, die alle einen unterschiedlichen Zweck verfolgen.
Modultest
Diese Phase beinhaltet das Testen jedes Moduls um sicherzustellen, dass es wie erwartet funktioniert. Entscheidend ist, dass jedes Modul individuell oder sogar durch Aufteilung in kleinere Komponenten getestet wird, um festzustellen, ob Probleme auftauchen.
Integrationstest
Sobald die einzelnen Module getestet wurden, können sie kombiniert und als Gruppe getestet werden. Diese Art von Tests findet Probleme in der Interaktion zwischen Modulen.
Systemtest
Nachdem der Integrationstest abgeschlossen ist, geht das V-Modell zum Systemtest über. Hier werden die verschiedenen Module kombiniert um ein komplettes System abzubilden. Das System wird anschließend getestet, um sicherzustellen, dass es die Anforderungen erfüllt.
Akzeptanztest
Die finale Testphase ist mit der Anforderungsanalyse gekoppelt, sodass das Entwicklungsteam eine Reihe von Systemtests ausführen und bestätigen kann, dass die Anforderungen erfüllt sind. Wenn diese Phase abgeschlossen ist, kann die Software an den Kunden ausgeliefert werden.
Vorteile des V-Modells in der Softwareentwicklung

Da wir nun die Grundlagen abgedeckt haben, ist es an der Zeit, die wichtigsten Vorteile des V-Modells zu beleuchten.
Unkompliziert und Effizient
Während das V-Modell vielleicht nicht eingängig für Personen außerhalb der Softwareentwicklungsarbeit erscheint, ist es durch die klare Darstellung einer Reihe aufeinanderfolgender Schritte einfach zu befolgen. Die Teams wissen genau, wo sie sind, was als nächstes kommt und können daher besser schätzen, wie viel Zeit und Aufwand benötigt wird, um das Projekt abzuschließen.
Diese Vorhersagbarkeit steigert die Effizienz, weil die Teams genau wissen, welche Schritte sie optimieren müssen. Jede Interaktion ist eine weitere Gelegenheit, die Prozesse zu verfeinern und Bereiche zu finden, die verbessert werden können.
Geringeres Risiko von Nacharbeiten
Es ist ein Albtraum für einen Softwareentwickler, ein großes Problem in einer späten Phase der Entwicklung zu finden. Dies führt normalerweise dazu, dass das gesamte Team zurückgehen muss und eine gründliche Analyse der zuvor entwickelten Module und des Codes durchführen muss, um das Problem zu finden.
Diese Nacharbeit ist generell sehr zeitaufwändig und teuer. Da das V-Modell jedoch testet und validiert, während die Arbeit durchgeführt wird, ist die Wahrscheinlichkeit viel geringer, dass ein Problem spät im Prozess auftaucht. Weniger Nacharbeiten führen zu Software, die schneller und mit weniger Ressourcen erstellt wird.
Ganz zu schweigen davon, dass Entwickler frustrierende und demotivierende Arbeit vermeiden, die wirklich niemandem Spaß macht. Während das nicht so wichtig wie Kosteneinsparungen klingt, kann es zu höherer Mitarbeiterbindung und zufriedeneren Entwicklern beitragen - Verbesserungen, die auch Kosten senken.
Geringe Kosten für Fehlerbehebung
Dieser Vorteil ist eng gekoppelt mit den geringeren Kosten der Nacharbeiten, aber es lohnt sich, ihn dennoch hervorzuheben. Indem sichergestellt wird, dass Fehler im Prozess so früh wie möglich gefunden werden, sinken die Kosten für die Behebung der Fehler erheblich. Dies führt generell zu niedrigeren Kosten und schnellerer Entwicklung.
Optimiertes Testen
Vor der Implementierung des V-Modells standen Softwareentwickler vor einer schwierigen Herausforderung: Wann sollten sie testen? Wenn Sie zu oft testen, verschwenden Sie Zeit. Wenn Sie nicht oft genug testen, verzögern Sie den wichtigen Prozess der Erkennung und Behebung von Problemen.
Das V-Modell für Softwareentwicklung adressiert diese Herausforderung durch regelmäßiges Testen, um die Probleme zu finden. Aber da das Testen gleichzeitig mit der Entwicklung durchgeführt wird, wird keine Zeit verschwendet, um auf Tests zu warten. Das Ergebnis ist ein optimierter Testprozess, der das Beste beider Welten vereinbart und zu regelmäßigem und effizientem Testen führt.
Nachteile des V-Modell in der Softwareentwicklung

Während die Vorteile des V-Modells erheblich sind, gibt es auch ein paar wichtige Nachteile, die Sie verstehen sollten.
Es ist nicht sehr flexibel
Viele Vorteile des V-Modells befassen sich mit der Fähigkeit, schnell Fehler im Code zu finden und zu beheben. Dies bezieht sich jedoch nur auf diese Art von Bugs und Fehlern. Dies bedeutet, dass dieses Modell sehr gut geeignet ist, um Software zu entwickeln, die bestimmte Anforderungen abdeckt.
Es können jedoch große Probleme entstehen, wenn sich die Anforderungen ändern. Das V-Modell ist einfach nicht geeignet dafür, sich auf ändernde Anforderungen der Stakeholder anzupassen. Wenn sich diese Anforderungen ändern, muss mit dem Modell von vorne begonnen werden, da alle Validierungen, die bereits erfolgt sind, nicht mehr relevant sind.
Mit anderen Worten: Das V-Modell vermeidet Nacharbeiten wenn es um die Erfüllung von einer statischen Menge an Anforderungen geht, aber das Risiko für Nacharbeiten wird erhöht, wenn sich die Anforderungen ändern. Zurück zur Auto-Analogie - Geschwindigkeit hat Vorrang vor der Manövrierfähigkeit.
Es erstellt keine Prototypen
Ein Markenzeichen der agilen Softwareentwicklung ist die Erstellung von Minimum Viable Products (MVPs). Die Idee ist es, die kleinstmöglichste Menge an Ressourcen aufzubringen, um eine Version des Endprodukts zu erstellen, dass immer noch die grundlegendsten Funktionen bereitstellt. Anders gesagt sind MVPs eine Art von Prototyp. Dieses MVP kann mit Stakeholdern getestet werden, um die Anforderungen zu bestätigen.
Der Wert dieses Vorgehens liegt darin, dass in der Realität die Anforderungen, von denen die Stakeholder denken, dass sie sie wollen, nicht immer die Anforderungen sind, die sie tatsächlich wollen. Nur durch Testen können Sie zuverlässig bestätigen, ob die Software, die sich die Stakeholder vorstellen, tatsächlich den Wert liefert, den sie benötigen.
Obwohl das V-Modell viel Tests und Validierung beinhaltet, ist keiner der Schritte dafür geeignet, um als MVP zu dienen. Während Sie regelmäßig bestätigen, dass die Software die Anforderungen erfüllt, geben Sie den Stakeholdern keine Version in die Hände, mit der diese die Gültigkeit der Anforderungen selbst bestätigen können.
Wie beim Problem mit der Flexibilität kann diese dazu führen, dass die ausgelieferte Software technisch gesehen die initialen Anforderungen erfüllt, aber dennoch nicht den Wert liefert, den die Stakeholder erwarten. Das Ergebnis sind kostspielige Nacharbeiten.
Welches Modell ist das Richtige für Sie?
Letztendlich läuft die Wahl des richtigen Softwareentwicklungsmodells auf eine einfache Frage hinaus: Wie sicher sind Sie sich Ihrer Software-Anforderungen? Wenn Sie sich absolut sicher sind, dass sich Ihre Anforderungen nicht verändern, dann ist das V-Modell sinnvoll. Die Effizienz mit der es diese Anforderungen liefern kann ist unerreicht.
Wenn Sie jedoch denken, dass sich die Anforderungen ändern können, ist Agile die richtige Wahl. Es mag nicht so effizient sein, aber im Moment, in dem sich die Anforderungen ändern, liefert es erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen dank seiner Flexibilität.
In jedem Fall ist es wichtig, dass die Softwareentwicklung mit erfahrenen Partnern durchgeführt wird, die den gesamten Prozess von Anfang bis Ende abdecken können.
